Gedichte der Neuen Sachlichkeit - Die nüchterne Poesie der Zwischenkriegszeit
Die Epoche der Neuen Sachlichkeit, die in den 1920er und 1930er Jahren in Deutschland ihren Höhepunkt erreichte, war geprägt von einer nüchternen, realistischen und oft kritischen Darstellung der gesellschaftlichen Realität. Diese Haltung spiegelte sich auch in der Lyrik dieser Zeit wider, in der die Dichterinnen und Dichter sich von der emotionalen Überschwänglichkeit der Romantik abwandten und stattdessen eine klare, präzise Sprache wählten, um gesellschaftliche Missstände und persönliche Erfahrungen zu reflektieren.
Merkmale der Gedichte der Neuen Sachlichkeit
Die Gedichte der Neuen Sachlichkeit zeichnen sich durch ihre Nüchternheit, Präzision und Konzentration auf das Wesentliche aus. Sie verzichten auf übertriebene Emotionen und pathetische Metaphern zugunsten einer direkten und oft kühlen Sprache. Die Dichterinnen und Dichter der Neuen Sachlichkeit betrachteten die Welt mit einem distanzierten Blick und analysierten sie in einem klaren, rationalen Stil. Dabei thematisierten sie häufig soziale Probleme, politische Entwicklungen und persönliche Konflikte.
Ein weiteres wichtiges Merkmal der Gedichte der Neuen Sachlichkeit ist ihre Experimentierfreude mit Form und Sprache. Viele Dichterinnen und Dichter dieser Zeit brachen mit den traditionellen Formen der Lyrik und entwickelten neue, unkonventionelle Ausdrucksweisen. Sie spielten mit Sprache, Rhythmus und Versmaß, um ihren Gedichten eine eigene, unverwechselbare Note zu verleihen.
Beispiele für Gedichte der Neuen Sachlichkeit
Georg Heym - "Die Irren"
Sie sitzen am Kamin und spinnen Fäden
Und sehen alle Tage ins Leere,
Die Irren,
Und lachen und weinen und reden.
Einer hält mitten im Reden inne und lässt
Auf einmal das Kinn sich auf die Brust,
Und sieht, wie er träumt, sich irgendeine Welt
Durch die stirnende Kurbel verstellen.
Else Lasker-Schüler - "Winter"
Die Leute treten wie die Hasen
Von einer dunklen Seite der Welt
In das Licht, fahren vor dem eigenen Namen zurück
Vor den eigensten Zügen - wie ein Tokayer,
Der an zitternden Händen trinkt.
Verwandte Gedichte